blackbox 04/10: Offener Brief von Andreas Arnstedt an die Deutsche Filmakademie

Autor: Felix

Rubrik: Thema

Der Regisseur und Schauspieler Andreas Arnstedt hat Anfang März einen offenen Brief an die neuen Präsidenten der Deutschen Filmakademie – Iris Berben und Bruno Ganz – gerichtet. Wir veröffentlichen das Schreiben im Wortlaut:

„ … Die Amtszeit gleich mit Altlasten zu beginnen, ist natürlich weder fair noch angenehm. Doch vielleicht genau das Richtige, um künftig Fehler zu vermeiden und den Ruf der Deutschen Filmakademie als unabhängige Institution der Kreativen der Filmbranche wieder herzustellen.

2009 produzierte ich meinen ersten und bislang einzigen Kinofilm DIE ENTBEHRLICHEN. Nachdem Gespräche über den klassischen Finanzierungsweg keine zeitnahe Lösung brachten, finanzierte ich den Film auch komplett selbst, schrieb das Drehbuch, führte Regie. Das Team arbeitete – wie so oft im Independentbereich – auf Rückstellung. Als der Film fertig war, schickte ich ihn auf Festivals. Und siehe da, er gefiel und gewann im Ausland Preise, u.a. den Preis für die beste Regie und den besten Darsteller in Sao Paulo, den Maverick Award für André Hennicke, den Max-Ophüls-Förderpreis und noch einige mehr. Dadurch ermutigt und mit dem Letter of Intent eines kleinen, Berliner Arthous Verleihs in der Hand, reichte ich DIE ENTBEHRLICHEN zur Vorauswahl des Deutschen Filmpreises 2010 ein. Was dann geschah, sprengt meine Vorstellungskraft und bringt mich zum Verzweifeln.

In der angesetzten Sichtung der Filmakademie am 12. Januar fehlte ein Drittel der Juroren, von 18 sind sieben nicht erschienen. Und nach ca. 20 Minuten brach Herr von Vietighoff die Aufführung eigenmächtig ab mit der Bemerkung, dieser Film sei wohl entbehrlich. Wer ihm in seinem Urteil nicht folge, könne sich den Film getrost auf DVD anschauen. Einzelne Proteste der übrigen Juroren wurden mit dem Hinweis auf die DVD abgeschmettert. Die Vorführung wurde abgebrochen und nicht wiederholt. Ein Skandal!

Meiner Intervention bei der Geschäftsführerin Christiane Teichgräber mit der Bitte, einen neuen Termin anzusetzen, da diese Art der Vorauswahl wohl kaum mit der Philosophie und den Statuten der Filmakademie in Einklang zu bringen sei, zumal die Jury nicht vollständig war, blieb erfolglos. Zunächst wurde der Vorgang an sich geleugnet, dann wurde versucht, meine Quelle zu orten und zuletzt wurde ich mit der Versicherung abgespeist, mein Film würde als DVD an die Jury verteilt und diese würde sich dann sicher ein Urteil bilden.

Das Ergebnis ist bekannt. DIE ENTBEHRLICHEN kam nicht in die Vorauswahl und damit weder der Film, noch das hervorragende Ensemble – allen voran André Hennicke, Steffi Kühnert und Ingeborg Westphal – eine faire Chance, für ihre außerordentliche Leistung eine Nominierung zu erhalten. Der Verleih sprang ab, weil das Risiko der Herausbringung nun zu groß für ihn war.

Um einem Missverständnis gleich den Boden zu entziehen: Es geht mir in diesem offenen Brief nicht um meine Eitelkeit.  Es geht mir ums Prinzip! Mein Film ist ein Erstlingswerk, der sicherlich in der Leistungsschau der durch Redaktionen und Förderungen und Verleihe finanzierten und begleiteten Produktionen eine Sonderstellung einnimmt. Aber ist es nicht verwunderlich, dass der Film wie die Leistung der Darsteller international ausgezeichnet werden und im Inland noch nicht einmal eine Nominierung wert sind?

Eigentlich war die Deutsche Akademie angetreten, um die Preise gerechter nach künstlerischer Leistung zu vergeben. Den bislang von Politik und Lobbyisten geprägten Gremienentscheidungen sollten die Mitglieder mit ihrem Votum eine bislang ungekannte Qualität in der Sache verleihen. Weder in dem skandalösen Procedere der Vorauswahl noch in der Nichtberücksichtigung der Leistung des Ensembles kann ich nach dieser Erfahrung einen Weg zur Besserung sehen. Im Gegenteil:  Wenn Menschen wie Herr Vietinghoff sich der offenen Meinungsbildung despotisch entgegenstellen, die Vorauswahljury schamlos beeinflussen und die Filmakademie dies auch noch zulässt, gibt es für Filme wie DIE ENTBEHRLICHEN in ihr keinen Platz.

In Hof hat Stelios Ziannis DIE ENTBEHRLICHEN gesehen und ihn in seinen Weltvertrieb genommen. Und auf der Berlinale hat der Verleih „drei-freunde“  den Verleihvertrag für Deutschland unterschrieben. Es gibt also noch Menschen, die Filme bis zum Ende schauen, berührt sind von der Geschichte, begeistert vom Ensemble und den Film für das Publikum ins Kino bringen. Ihnen sind DIE ENTBEHRLICHEN wichtig.

DIE ENTBEHRLICHEN sind beim Deutschen Filmpreis 2010 entbehrlich. Diese Entscheidung ist gefallen und so bitter dies für das Team auch ist, wir müssen sie akzeptieren. Aber für die Zukunft appelliere ich an Sie als neu gewählte Präsidenten, die Vorauswahlpraxis zu reformieren und eine gerechte Meinungsbildung  unter den Mitgleidern zu ermöglichen. Dunkle Stellen liegen auf der Verleihung 2010, die dem Ansehen schaden. Denn nur wenn die Auswahlkriterien und das Procedere unangreifbar sind, kann der Glanz des Deutschen Filmpreises sich voll entfalten. Ich zähle auf Sie.“

(Den Inhalt des Briefes kennen und unterstützen André Hennicke, Steffi Kühnert und Leander Hausmann)